Medikamente

Hintergrund

Medikamente können, richtig angewendet, zur Heilung, Linderung oder zur Verhütung von Krankheiten und krankhafter Beschwerden beitragen und die Lebensqualität Betroffener verbessern. Die Einnahme von Medikamenten mit Abhängigkeitspotenzial ist allerdings auch mit Problemen verbunden, die generell in allen Altersstufen und sozialen Schichten zu finden sind. Durch den demografischen Wandel der deutschen Bevölkerung wird erwartet, dass diese noch stark zunehmen werden, denn von Medikamentenmissbrauch und -abhängigkeit sind unabhängig vom Geschlecht ältere Menschen häufiger betroffen als jüngere. Zudem liegen auch große Unterschiede zwischen Männern und Frauen vor: Nach Schätzungen der DHS sind zwei Drittel der Betroffenen Frauen im Alter von über 65 Jahren.

Verbreitung und Risiken

In Deutschland sind über 100.000 verschiedene Arzneimittel (jede Packungsgröße wird als Arzneimittel gezählt) im Zuständigkeitsbereich des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) verkehrsfähig. Davon sind rund 35.000 freiverkäuflich, 17.000 apothekenpflichtig, 51.00 verschreibungspflichtig, 2.500 betäubungsmittelrezeptpflichtig und16 sonderrezept(T-Rezept-)pflichtig. Der größte Anteil des Umsatzes (> 80 %) entfällt dabei auf rezeptpflichtige Arzneimittel.

Von den in Deutschland verordneten Arzneimitteln besitzen etwa 4 bis 5 % ein eigenes Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. Das gilt vor allem für Arzneimittel, die psychotrop wirken, wie beispielsweise opioidhaltige Schmerzmittel, Benzodiazepine oder Z-Substanzen. Allein unter den 20 meistverkauften Arzneimitteln in Apotheken befinden sich bereits über 10 Präparate mit Missbrauchspotenzial.

Von einem Medikamentenmissbrauch wird gesprochen, wenn eine Substanz ohne Indikation (also nicht bestimmungsgemäß), in unangemessen hoher Dosierung oder länger als notwendig eingenommen wird und der Konsum trotz psychischer, körperlicher oder sozialer Folgeschäden fortgesetzt wird. Die Diagnose eines Abhängigkeitssyndrom liegt laut ICD-10 (International Classification of Diseases and Related Health Problems, 10th Revision) vor, wenn von den foglenden sechs Kriterien mindestens drei innerhalb des zurückliegenden Jahres erfüllt sind:

  1. Starker Wunsch oder Zwang zum Konsum
  2. Verminderte Kontrolle bezüglich des Beginns, der Menge oder der Beendigung der Einnahme
  3. Körperliche Entzugssymptome
  4. Toleranzentwicklung (Wirkverlust oder Dosissteigerung; keine zwingende Voraussetzung
  5. Erhöhter Zeitaufwand um die Substanz zu beschaffen
  6. Fortgesetzter Konsum trotz Folgeschäden

Sowohl verschreibungspflichtige als auch nicht verschreibungspflichtige Medikamente im Rahmen der Selbstmedikation können ein mehr oder minder ausgeprägtes Missbrauchspotenzial aufweisen. Wichtige Substanzgruppen mit Missbrauchs- und/ oder Abhängigkeitspotenzial sind laut DHS:

▶ Amphetamine
▶ Barbiturate
▶ Benzodiazepine
▶ Non-Benzodiazepine (Z-Drugs)
▶ Narkosemittel
▶ Opiathaltige Schmerzmittel

Zu wichtigen Medikamente mit Missbrauchs- und oder Abhängigkeitspotenzial gehören:

▶ Antidepressiva
▶ Antihistaminika
▶ apothekenpflichtige Analgetika
▶ Ephedrin
▶ Laxanzien (Abführmittel)
▶ Nasenspray und -tropfen

Epidemiologie

Im Epidemiologischen Suchtsurvey von 2021 wurde für die 18- bis 64-jährige deutsche Bevölkerung auf Basis von Screeninginstrumenten für den Medikamentengebrauch eine 12-Monats-Prävalenz substanzbezogener Probleme von 5,7 % und somit ein problematischer Medikamentenkonsum bei etwa 2,9 Millionen Menschen in Deutschland ermittelt.

Nichtopioid-Analgetika (freiverkäufliche, apothekenpflichtige Schmerzmittel zur Behandlung leichter bis mittelschwerer Schmerzen) wurden mit einer 30-Tages-Prävalenz von 47,7 % (24,2 Millionen Menschen) am häufigsten eingenommen. Bei Personen, die Selbstmedikation betreiben, liegt die Missbrauchsprävalenz von Nichtopioid-Analgetika dabei schätzungsweise bei 6,4 % (3,2 Millionen Personen). Am zweithäufigsten wurden in den letzten 30 Tagen Hypnotika und Sedativa eingenommen (Schlaf- und Beruhigungsmitteln; 5,4 %; 2,8 Millionen Menschen), gefolgt von Antidepressiva (5,3 %; 2,7 Millionen Menschen) und Opioid-Analgetika (2,1 %; 1,1 Millionen Menschen). 18,9 % (5,0 Millionen Menschen) der Medikamentennutzer berichteten von einer täglichen Einnahme mindestens eines der genannten Medikamente.

Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verteilung in der Arzneimittelversorgung zeigen sich Unterschiede in der Einnahme bestimmter Medikamente, die im Zusammenhang mit der hohen Zahl von medikamentenabhängigen älteren Frauen steht. Laut Jahrbuch Sucht 2021 liegt insbesondere in der relativ häufigen Verordnung von Psychopharmaka für Frauen in höheren Altersgruppen ein wesentlicher Grund für den hohen Anteil an Frauen unter allen Medikamentenabhängigen.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Suchtmedizinische Reihe Band 5 – Medikamentenabhängigkeit. Online verfügbar unter https://www.medikamente-und-sucht.de/fachleute-und-forschung/infomaterial-und-bestellung
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. Medikamente. Basisinformationen. Online Verfügbar unter https://shop.bzga.de/medikamente-basisinformationen-33230003/
  • Glaeske, G. (2021): Medikamente 2019 – Psychotrope und andere Arzneimittel mit Missbrauchs- und Abhängigkeitspotenzial. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): DHS Jahrbuch Sucht 2021. Lengerich: Pabst Science Publishers.
  • Rauschert C, Möckl J, Seitz NN, Wilms N, Olderbak S, Kraus L: The use of psychoactive substances in Germany—findings from the Epidemiological Survey
    of Substance Abuse 2021. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 527–34.
    DOI: 10.3238/arztebl.m2022.0244
  • Rauschert C, Seitz N-N, Olderbak S, Pogarell O, Dreischulte T, Kraus L: Abuse of non-opioid analgesics in Germany: prevalence and associations among self-medicated users. Front Psychiatry 2022; 13: 864389.
  • Soyka, M., Batra, A., Heinz, A., Moggi, F., & Walter, M. (Eds.). (2018). Suchtmedizin. Elsevier Health Sciences.
  • medikamente-und-sucht.de , Gemeinsame Internetseite von DHS und Barmer mit Informationen zu Hintergründen, Risken, vulnerable Gruppen und über Medikamente mit Abhängigkeitspotenzial.

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