Essstörungen

Hintergrund

Wenn von Essstörungen die Rede ist, dann wird häufig auch von einer „Esssucht“, „Ess-Brech-Sucht“ oder „Magersucht“ gesprochen. Bei Essstörungen handelt es sich um ernsthafte Erkrankungen, die in ihrem Erscheinungsbild der Diagnose Sucht sehr ähnlich sind (u.a. Kontrollverlust, Fortsetzung trotz negativer Konsequenzen, Verlust anderer Interessen oder Lebensinhalte) und deshalb auch als psychosomatische Erkrankungen mit Suchtcharakter bezeichnet werden. Es gibt verschiedene Formen von Essstörungen sowie „Mischformen“ (bzw. „nicht näher bezeichnete Essstörung“) aus den folgenden Reinformen, zur deren gemeinsamen charakteristischen Merkmalen eine Störung des Ess- und Gewichtskontrollverhaltens, eine übermäßige Beschäftigung mit dem Thema „Essen“, übertriebene Sorge um Körpergewicht und Figur sowie eine gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers gehören:

▶ Magersucht (Anorexia nervosa)

Die Magersucht ist eine schwere psychische Erkrankung. Charakteristisch ist ein starker selbstverursachter Gewichtsverlust oder anhaltendes, teils lebensbedrohliches Untergewicht, welches die Betroffenen durch krankhaftes Diäthalten erreichen. Zudem ist ein verzerrtes Körperbild typisch für diese Erkrankung.

▶ Bulimie, Ess-Brech-Sucht (Bulimia nervosa)

Bei der Bulimie handelt es sich um eine Essstörung, bei der die Betroffenen einen Kreislauf aus unkontrolliertem Verlangen nach Essen (regelmäßige Essanfälle) und anschließender gewichtsreduzierender Maßnahmen immer wieder durchlaufen. Als Gegenmaßnahmen führen Betroffene oft Erbrechen herbei, oder greifen unter anderem auf Medikamente wie Appetitzügler und Abführmittel zurück. Die Krankheit ist mit einem starken Schamgefühl verbunden und wird deshalb häufig von Betroffenen geheim gehalten.

▶ Anfallsartiges Überessen (Binge-Eating-Störung)

Bei der Binge-Eating-Störung erleben Betroffene ebenfalls regelmäßig auftretende Essanfälle, bei welchen unkontrolliert große Mengen an Nahrungsmittel konsumiert werden, allerdings ohne gewichtsregulierende Gegenmaßnahmen. Als Folge ist die Binge-Eating-Störung häufig mit Übergewicht oder Adipositas verbunden.

Epidemiologie

Prävalenzschätzungen von Essstörungen variieren stark in ihrer Ausprägung und sind nur schlecht vergleichbar, insbesondere da sich die Kriterien der Diagnostik über die Zeit deutlich verändert haben.

Laut den Ergebnissen der zweiten Welle der KiGGs-Studie (2014-2017) finden sich bei 19,8 % der befragten deutschen Kinder und Jugendlichen Symptome einer Essstörung. Dabei liegen große Geschlechtsunterschied vor: Unter den Mädchen finden sich bei 27,9 % Anzeichen eines gestörten Essverhaltens, unter den Jungen sind es 12,1 %.

Auch in der erwachsenen Allgemeinbevölkerung treten Merkmale einer manifesten Essstörung häufig auf. Laut internationalen Studien aus Finnland und Australien ist dies bei jeder fünften Person der Fall. Nationale Studien kommen auf deutlich geringere Prävalenzwerte. Den Ergebnissen der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) zufolge liegt die 12-Monatsprävalenz in der deutschen erwachsenen Allgemeinbevölkerung (von 18-79 Jahren) für Anorexia nervosa bei 0,8 % (Frauen: 1,2 %, Männer: 0,3 %), für Bulimia nervosa bei 0,2 % (Frauen: 0,3 %, Männer: 0,1 %) und für die Binge-Eating-Störung bei 0,1 %. Dies steht allerdings im Widerspruch zu internationalen Studienergebnisse, welche die Binge-Eating-Störung als häufigste Essstörung ermittelten und zu deutlich höheren Prävalenzwerten für die verschiedenen Formen der Essstörungen kamen.

Public Health Impact

Essstörungen sind ernsthafte Erkrankungen, die mit erheblichen Leid für die Betroffenen und deren sozialem Umfeld einhergehen. Sie sind in der Bevölkerung weit verbreitet, treten häufig gleichzeitig mit verschiedenen Erkrankungen auf und haben häufig einen chronischen Verlauf.

Quellen und weiterführende Literatur

  • Bundezentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), https://www.bzga-essstoerungen.de/
  • Jacobi, F., Höfler, M., Strehle, J., Mack, S., Gerschler, A., et al. (2014). Psychische Störungen in der Allgemeinbevölkerung. Der Nervenarzt, 85(1), 77-87.
  • Wälte, D. (2021). Essstörungen–Prävalenz, Bedeutung und Implikationen für die Prävention und Gesundheitsförderung. In Prävention und Gesundheitsförderung (pp. 877-888). Springer, Berlin, Heidelberg.
  • Wunderer, E. et al. (2022): Essstörungen. In: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (Hrsg.): DHS Jahrbuch Sucht 2022.

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