Suchtforschungstelegramm

Ausgabe 49

18.04.2024

Liebe Leserinnen und Leser, liebe BAS-Interessierte,

in gewohnter Weise informieren wir Sie durch verschiedene Literaturreferate rund um die Themen Tabakentwöhnung, Virtual Reality als Expositionstherapie sowie Online-Sportwetten und digitales Spielverhalten bei jungen Menschen.

Weiterhin erhalten Sie einen Einblick in bevorstehende Veranstaltungen der BAS, zu welchen wir Sie herzlich einladen möchten. Wie immer, freuen wir uns über Ihre Anregungen und Ideen sowie Kritik und Lob zu unserem Suchtforschungs-telegramm oder unseren Aktivitäten.

Um unsere Arbeit zu evaluieren und an Ihre Wünsche bzw.  Bedürfnisse anzupassen, möchten wir Sie bereits heute auf eine Online-Umfrage zu den vielfältigen Tätigkeiten der BAS im Sommer hinweisen und bitten Sie dabei um Ihre Unterstützung.

Mit besten Grüßen

Dr. Thomas Gredner und Dr. Beate Erbas
sowie das BAS-Team

Rauchentwöhnungsbehandlung in deutschen psychiatrischen Krankenhäusern aus Sicht des Personals

Hintergrund

Menschen mit psychischen Erkrankungen konsumieren überproportional häufig Tabak, was auch zu einer erhöhten Nikotinabhängigkeit führt. Bei schweren psychischen Erkrankungen liegt die Raucher:innenquote bei über 70 %. Rauchen reduziert die durchschnittliche Lebenserwartung um 20 % und 50 % der Todesfälle bei psychisch erkrankten Menschen sind mit Rauchen assoziiert. Internationale Leitlinien empfehlen daher Rauchentwöhnungs-angebote für psychiatrische Patient:innen, unabhängig vom Behandlungs-setting. Wissenschaftlich erfolgreich evaluierte Angebote umfassen kognitive Verhaltenstherapie, kurze Interventionen mit motivationsfördernden Gesprächen und Gruppeninterventionen. Eine Nikotinersatztherapie erhöht die Erfolgschance um 50-60 %, während Bupropion und Vareniclin als medikamentöse Therapie erfolgsversprechend sind. Trotz klarer Wirksamkeit der Maßnahmen werden psychisch kranke Patient:innen in der Praxis selten zum Rauchstopp ermutigt. Zudem ist das Angebot an Unterstützung begrenzt. Die vorliegende Studie untersuchte explorativ die Einstellungen des Personals zu Rauchentwöhnungsbehandlungen in psychiatrischen Krankenhäusern in Berlin, um so Impulse für die Verbesserung der Versorgungslage geben zu können.

Methodik

Für die Umfrage wurden insgesamt 1.706 Mitarbeitende aus psychiatrischen Abteilungen in Berlin angeschrieben, die nach demographischen Daten, eigenem Rauchstatus und zu ihren Einstellungen gegenüber Rauchentwöhnung bei psychiatrischen Patient:innen befragt wurden. Die Bearbeitung dauerte weniger als 10 Minuten. Die Hypothese lautete, dass Mitarbeitende, die selbst rauchen, eine kritischere Haltung zur Unterstützung der Raucherentwöhnung bei psychiatrischen Patient:innen haben als Mitarbeitende, die nicht rauchen.

Ergebnisse

Insgesamt füllten 448 Mitarbeitende (Antwortquote: 26,3 %) den Fragebogen aus, mehr als zwei Drittel der Teilnehmenden waren weiblich. Die Raucherprävalenz bei männlichem Personal war leicht höher als bei weiblichem Personal. Die größte Gruppe der Befragten (34,4 %) befand sich in ihren 30ern, wobei fast 40 % Raucher:innen waren. Auf einer Skala von 1 (sehr hoch) bis 5 (sehr niedrig) wurde die eigene Motivation zum Rauchstopp bei täglichem Rauchen auf durchschnittlich 3,37 ± 1,06 und bei gelegentlichem Rauchen auf 2,06 ± 0,94 bewertet.
Etwa zwei Drittel der Befragten waren der Meinung, dass rauchenden Patient:innen routinemäßig Angebote zur Rauchentwöhnung bereitgestellt werden sollten. In Bezug auf diese Frage gab es keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen Personen, die rauchten oder nicht. In suchtspezifischen psychiatrischen Abteilungen wurden Angebote zur Rauchentwöhnung signifikant häufiger angeboten als in anderen psychiatrischen Einheiten.
Das Personal sah die Motivation ihrer Patient:innen, mit dem Rauchen aufzuhören, als sehr niedrig an (Mittelwert 4,44 ± 0,74). Die meisten Befragten betrachteten Rauchstoppversuche auf psychiatrischen Stationen insgesamt als (sehr) unrealistische Ziele (Mittelwert 4,20 ± 0,90). Über die Hälfte der Mitarbeitenden glaubte, dass Rauchen für die psychische Gesundheit von psychiatrischen Patient:innen förderlich sein kann, ein Viertel nahm eine Verschlechterung bei Rauchstopp an und nahezu alle äußerten Bedenken, dass ein Rauchstopp zu aggressivem Verhalten bei ihren Patient:innen führen könne. In Bezug auf die Kompetenz zur Unterstützung bei der Rauchentwöhnung bewerteten die meisten (35 %) ihre Fähigkeiten als durchschnittlich, während 25 % sich als gut oder sehr gut und 29 % als schlecht oder sehr schlecht einschätzten.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass psychiatrisches Personal zwar die Relevanz der Rauchentwöhnung erkennt, jedoch selten internationalen Richtlinien folgt. Es besteht oft auch ein Mangel an Wissen über verschiedene Möglichkeiten der Rauchentwöhnungsbehandlungen und über die Beeinflussung des Medikamentenstoffwechsels durch das Rauchen. Die Studie zeigt außerdem, dass viele Mitarbeitende falsche Vorstellungen über die Auswirkungen des Rauchens auf die psychische Gesundheit ihrer Patient:innen haben. Die Mehrheit betrachtet Raucherentwöhnung nur als physische Gesundheits-frage, während einige der Annahme sind, dass Rauchen positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit haben kann. Es besteht auch eine Tendenz, die Motivation der Patient:innen zum Rauchverzicht zu unterschätzen.

Bedeutung für Forschung & Praxis

Rauchende Patient:innen sollten stationäre sowie ambulante Angebote zur Rauchentwöhnung erhalten und ermutigt werden, aufzuhören. Dies ist besonders wichtig, da psychiatrische Patient:innen häufiger und intensiver rauchen. Rauchen hat nicht nur negative Auswirkungen auf ihre körperliche, sondern auch auf ihre psychische Gesundheit, insbesondere wenn andere Faktoren wie ein sitzender Lebensstil oder die Wirkung psychotroper und anderer Medikamente berücksichtigt werden. Darüber hinaus sind Schulungen des Personals entscheidend, damit falsche Annahmen mit Wissen überwunden werden können und das Personal in die Lage versetzt wird, leitliniengerechte und evidenzbasierte Behandlungen anzubieten.

Quelle
Cerci, D. (2023). Staff perspectives on smoking cessation treatment in German psychiatric hospitals. Journal Of Public Health.

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Effizienz von Virtual Reality (VR) als Expositions-therapie bei Alkoholkonsum: Ein systematisches Review

Hintergrund

Virtual Reality (VR) ist eine immersive1 Technologie, die bei der Behandlung von Substanzkonsumstörungen, wie z. B. der Alkoholkonsumstörung, als Hilfsmittel eingesetzt werden kann. Die Verwendung als Therapiemethode hat in der psychologischen Behandlung an Bedeutung gewonnen. Die vorliegende Übersichtsarbeit zielt darauf ab, die Effektivität einer VR-Therapie als Expositionsbehandlung für Alkoholkonsum zu untersuchen, um die Wirksamkeit und potenziellen Einsatzmöglichkeiten in der klinischen Praxis zu bewerten.

Methodik

Für die systematische Übersichtsarbeit wurde eine Suche in verschiedenen wissenschaftlichen Datenbanken durchgeführt, um relevante Studien zu identifizieren, die VR als Therapieform für Alkoholkonsum untersuchten. Die Studienauswahl erfolgte anhand vordefinierter Einschlusskriterien: Untersucht wurde die Wirksamkeit von VR als Expositionstherapie für starke soziale Trinker, definiert als Personen, die regelmäßig Alkohol in einer Vielzahl von sozialen Kontexten konsumieren, mit oder ohne Diagnose einer Alkoholkonsum-störung.

Ergebnisse

Eingeschlossen wurden zehn Studien mit insgesamt 377 Teilnehmenden. Die Mehrheit der Teilnehmenden waren erwachsene Männer (61 %), mit einem Altersdurchschnitt von 44,1 Jahren und einem leichten bis schweren Alkoholkonsum. Obwohl die Studien heterogene Ergebnisse aufweisen, hat insbesondere der Einsatz von sogenannten Virtual-Reality-Cue-Exposure-Therapien deutlich zur Reduktion von Craving bei Patient:innen mit einer Alkoholabhängigkeit beigetragen. Bei diesen Therapien werden Patient:innen mit einem Reiz konfrontiert werden, der üblicherweise Symptomverhalten auslöst. Zudem haben verschiedene Studien gezeigt, dass bei starken sozialen Trinkern das Wirklichkeitsempfinden der virtuellen Umgebung einen Einfluss auf das Erleben von Craving oder Angstzuständen haben kann. Die Nutzung von VR hat in einigen Studien das Gefühl der Selbstwirksamkeit erhöht und die Neigung zu automatischem Trinkverhalten reduziert. 

Diskussion

Der Einsatz von Virtual Reality zeigt ein vielversprechendes Potenzial für die therapeutische Behandlung von Alkoholkonsumstörungen und als Instrument im Rahmen von Alkoholpräventions- und Psychotherapieprogrammen. Es besteht jedoch Bedarf an großangelegten Studien mit umfangreichen Stichproben, insbesondere unter Berücksichtigung individueller Patientenprofile wie der Behandlungsgeschichte, Komorbiditäten und dem Widerstand gegen Routinebehandlungen. Die Verbesserung der VR-Erfahrung durch Faktoren wie einer wirklichkeitsnahen virtuellen Umgebung und der Integration von multisensorischen Faktoren (z. B. über den Einsatz von Gerüchen) könnte die Interaktion in virtuellen Umgebungen und somit den Behandlungserfolg weiter verbessern.


1 Eine immersive Technologie ermöglicht es dem Nutzenden, eine simulierte Umgebung zu erleben, die ihm das Gefühl vermittelt, sich in einer realen Situation zu befinden.

Bedeutung für Forschung & Praxis

Die Ergebnisse der Literaturübersicht legen nahe, dass eine Virtual Reality-Therapie als Expositionsbehandlung für Alkoholkonsum eine effektive Ergänzung zu den bestehenden Behandlungs-möglichkeiten darstellen könnte. Allerdings ist weitere Forschung, auch unter Berücksichtigung individueller Pateinten-profile, notwendig, um die genaue Wirksamkeit zu ermitteln.

Quelle
Nègre, F., Lemercier-Dugarin, M., Kahn-Lewin, C., Gomet, R., Zerdazi, E. H. M., Zerhouni, O., & Romo, L. (2023). Virtual reality efficiency as exposure therapy for alcohol use: a systematic literature review. Drug and Alcohol Dependence, 111027.

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Zusammenhang zwischen dem Spielen kostenloser Tippspiele und der Häufigkeit von Online-Sportwetten bei Männern im Vereinigten Königreich

Hintergrund

Weltweit wird das Glücksspiel zunehmend als großes Problem für die öffentliche Gesundheit anerkannt. Trotzdem erleben Online-Sportwetten ein rasantes Wachstum in den letzten Jahren. Für viele junge Männer ist das Wetten ein wichtiger Bestandteil ihres Vergnügens am Sport. Marketing, Werbung und Anreize sind allgegenwärtig im britischen Sport und spielen eine zentrale Rolle bei der Normalisierung des Sportwettens. Eine weitere interaktive und sehr ansprechende Form von Werbung vieler Glücksspiel-unternehmen ist das Anbieten von kostenlosen Tippspielen für Sportwetten. Bei diesen Tippspielen handelt es sich um digitale Plattformen, in denen man kostenlos Vorhersagen zu Spielergebnisse treffen kann. Richtige Vorhersagen und die korrekte Beantwortung von Sportfragen werden mit echtem Geld oder Gratiswetten belohnt. Die vorliegende Studie untersuchte, ob ein Zusammenhang zwischen dem Spielen von kostenlosen Tippspielen und dem Online-Sport-Glücksspielverhalten besteht und, ob Tippspiele das Ausmaß des Glücksspielproblems beeinflussen.

Methodik

Bei dieser Querschnittsstudie handelte es sich um eine Online-Umfrage, die u. a. über soziale Medien und Glücksspielforen beworben wurde. In die Studie eingeschlossen wurden Männer ab 18 Jahren, die einen Wohnsitz im Vereinigten Königreich und in den letzten 12 Monaten Glücksspiele gespielt haben. Die Gesamtstichprobe betrug insgesamt 384 Personen.

Ergebnisse

Tippspiele wurden von 45,8 % aller Teilnehmenden gespielt. Bivariate Analysen zeigten einen Zusammenhang zwischen dem Tippspielen und dem Alter: Jüngere Männer beschäftigen sich verstärkt mit Tippspielen. Die Altersgruppe der 18- bis 24-Jährigen spielte am häufigsten Tippspiele mit 51,8 %, während insgesamt das Engagement, Tippspiele zu spielen, mit zunehmendem Alter schrittweise abnahm. Es gab keine signifikanten Zusammenhänge zwischen dem Tippspielen und der ethnischen Zugehörigkeit, dem Einkommen oder der Bildung. Die Ergebnisse der Studie zeigten auch einen signifikanten abgestuften Zusammenhang zwischen dem Tippspielen und den PGSI-Werten (Problem Gambling Severity Index). Die Prävalenz des Tippspielens nimmt proportional mit den Spielrisikostufen zu. Die niedrigste Prävalenz (36,3 %) zeigte sich bei den Nicht-Problemspielern, während 76,9 % der Problemspieler sich bereits an Tippspielen beteiligt haben.
Die Autorinnen und Autoren der Studie fanden ebenfalls einen signifikanten positiven Zusammenhang zwischen dem Tippspielen und der Häufigkeit der Teilnahme an Online-Sportwetten sowie an Wetten zu Pferderennen. Nach Kontrolle soziodemographischer Variablen und PGSI-Werten war die Wahrscheinlichkeit bei Tippspielern 2,8-mal höher, sich zusätzlich an Online-Sportwetten und Pferderennen zu beteiligen, als bei Nicht-Tippspielern.

Diskussion

Ein Ergebnis der vorliegenden Studie ist, dass junge Männer sich stärker mit Tippspielen beschäftigen als ältere Männer. Die Autor:innen liefern eine mögliche Erklärung dafür: Junge Männer beschäftigen sich häufiger mit Online-Glücksspielen, dadurch sind sie stärker Online-Werbung ausgesetzt, die wiederum gezielt auf junge Männer ausgerichtet ist. Die übermäßige Exposition junger Menschen gegenüber Glücksspiel-Werbung führt zu einer Animierung zum Tippspielen sowie zu einer Normalisierung des Glücksspiels generell.
Die Tatsache, dass sich vor allem Problemspieler am häufigsten mit Tippspielen beschäftigen, ist besorgniserregend, denn richtige Vorhersagen werden u. a. mit Gratiswetten belohnt. Dieser Anreiz und die personalisierte Werbung könnte sie zur Fortsetzung und sogar zur Intensivierung des Glücksspieles ermutigen.
Laut der vorliegenden Studie sollte man den Zusammenhang zwischen dem Tippspielen und der zunehmenden Häufigkeit von Onlinesportwetten bzw. Pferdewetten auf Bevölkerungsebene ebenfalls kritisch beachten. Dieses Ergebnis widerlegt das Argument der Glücksspielindustrie, dass Marketing und Werbung keinen Einfluss auf den Gesamtkonsum haben, sondern nur auf den Markanteil des einzelnen Anbieters. Die Autorinnen und Autoren vermuten stattdessen, dass das Tippspielen zu einem Anstieg der PGSI-Werte führt. Gleichzeitig weisen sie auf die eingeschränkte Verallgemeinbarkeit aufgrund des Studiendesigns hin.

Bedeutung für Forschung & Praxis

Die vorliegende Studie konnte veranschaulichen, dass Tippspiele von der Glücksspielindustrie beworbene Produkte sind, die besonders oft von jungen Männern und damit von vulnerablen Gruppen und anfälligen Menschen für Glücksspielsucht genutzt werden. Damit liefern die Autor:innen ein weiteres Argument, dass das Selbstregulierungs-modell, dass das verantwortungsvolle Glücksspielen betont, nicht dazu geeignet ist, Spielende vor Glücksspielschäden zu schützen.
Die Studie bemängelt die Gesetzgebung im Vereinigten Königreich und fordert strengere Reformen bei der bevorstehenden Überprüfung der Glücksspielgesetze. Konkret fordern sie u.a. eine verpflichtende Prüfung von Glücksspielprodukten vor deren Veröffentlichung. Nur so kann man mögliche Risiken und Auswirkungen frühzeitig erkennen.

Quelle
Wilson, C., Butler, N. & Quigg, Z. (2023). Associations between playing free-to-play sports gambling predictor games and online sports betting frequency for men in the United King-dom. J Public Health (Berl.) 31.

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Zusammenhang zwischen digitalem Spielverhalten und physischer Aktivität von finnischen Berufsschüler:innen

Hintergrund

Einige Studien weisen darauf hin, dass die physische Aktivität (PA) über die Kindheit hinweg abnimmt und sich während der Adoleszenz weiter reduziert. PA sollte nicht mit Sport oder bewussten körperlichen Übungen gleichgesetzt werden. Darunter ist vielmehr jegliche körperliche Bewegung zu verstehen, die von unsere Skelettmuskulatur ausgeführt wird und mit einem Anstieg des Ruheenergieverbrauchs verbunden ist. Damit umfasst PA sowohl Sport als auch andere Aktivitäten, die Bewegung beinhalten z.B. (Haus-)Arbeit, Spielen oder verschiedene Freizeitaktivitäten. Gemäß aktuellen Statistiken ist fast die Hälfte der Erwachsenen in der EU inaktiv (48,4 %), während 31,7 % für mindestens zweieinhalb Stunden pro Woche in ihrer Freizeit physisch aktiv sind. Diese Zahlen sind besorgniserregend, da physische Inaktivität mit vielen schwerwiegenden Erkrankungen wie Fettleibigkeit, Diabetes und kardiovaskulären Störungen korreliert. Bei Jugendlichen und Adoleszenten sind insbesondere digitale Spiele Bestandteil eines sitzenden Lebensstils. In Finnland spielen 36,4 % der Bevölkerung unter 20 Jahren täglich digitale Spiele und 69,8 % spielen mindestens einmal die Woche. Diese investierte Zeit könnte auch die Zeit, die junge Erwachsene mit PA verbringen, beeinflussen. Deswegen untersuchte die vorliegende Studie den Zusammenhang zwischen verschiedenen Merkmalen des digitalen Spielens mit dem Maß an physischer Aktivität unter finnischen Berufsschüler:innen.

Methodik

Mit Hilfe eines Online-Fragebogens sollten die 773 Berufsschüler:innen neben soziodemographischen Angaben, Selbsteinschätzungen zu folgenden Variablen vornehmen:

  • durchschnittliche Spielzeit pro Woche
  • bevorzugtes Spielgerät (PC, Spielekonsole, Handy, Tablet, Laptop)
  • präferierter digitaler Spieltyp (Unterhaltung, Einzelspieler, Fahrzeugsimulation, Strategie, Sport, shooter, Multiplayer-Online-Kämpfe, Mehrspieler-Online-Rollenspielen)
  • physische Aktivität (PA): Alle Aktivitäten, die die Herzrate erhöhen.
  • mäßige bis starke physische Aktivität (MVPA z.B. Sport, Aktivitäten mit Freunden, aktives Pendeln zur Berufsschule, kleine aktive Handlungen im Alltag): Aktivitäten, bei denen man leicht außer Atem gerät und schwitzt.

Die Variable Glücksspiel wurde für die vorliegende Querschnittsuntersuchung nicht erhoben.

Ergebnisse

Das durchschnittliche Alter der insgesamt 318 weiblichen Studienteil­nehmer:innen betrug 18,1 Jahre und das der insgesamt 455 männlichen 17,3 Jahre. Die Proband:innen gaben an, durchschnittlich 1,66 Stunden an einem typischen Spieltag zu spielen, wobei die männlichen Berufsschüler:innen signifikant mehr Zeit (2,3 Stunden) mit digitalen Spielen verbrachten als die weiblichen Befragten. Die weiblichen Teilnehmenden bevorzugten Handy- und Unterhaltungsspiele, wohingegen die Berufsschüler PC-Spiele und Shooter bevorzugten. Männliche Berufsschüler waren eher physisch aktiv (PA) als die weiblichen: 15,8 % der befragten Männer zeigten jeden Tag PA (Frauen: 4,4 %) und 17,4 % der Männer betrieben sieben Stunden oder mehr MVPA in einer Woche (Frauen: 5,0 %).

Zum Zusammenhang von PA bzw. MVPA mit digitalem Spielverhalten lässt sich festhalten, dass die Variable männliches Geschlecht und die Variable auf dem PC zu spielen positiv mit unzureichender PA und MVPA korreliert waren. Im Gegensatz dazu, waren das Spielen von digitalen Sportspielen negativ mit unzureichender MVPA assoziiert.

Diskussion

Die Ergebnisse zeigen, dass die weiblichen Befragten jeden Tag signifikant weniger Zeit mit digitalen Spielen verbrachten als die männlichen. Zusätzlich wiesen die Berufsschülerinnen unzureichende PA und einen vorwiegend sitzenden Lebensstil auf. Somit lässt ein höherer Zeitaufwand für digitale Spiele nicht automatisch auf ein geringeres Level an PA schließen. Positive Korrelationen zwischen einer niedrigen PA und digitalen Spielen ergaben sich bei männlichem Geschlecht und PC-Spielen. Bisherige Längsschnitt-untersuchungen ergaben, dass die Teilnahme an digitalen Sportspielen mit der Teilnahme an realem Sport verknüpft ist. Dieser Befund kann durch die vorliegende Studie bestätigt werden. Denn Berufsschüler:innen, die digitale Sportspiele spielten, zeigten eine negative Korrelation mit unzureichender MVPA.

Bedeutung für Forschung & Praxis

Die vorliegenden Ergebnisse sollten genutzt werden, um zielgerichtete Interventionen gegen einen sitzenden Lebensstil bei Adoleszenten zu entwickeln. Dazu sind weiterführende Untersuchungen notwendig, um geschlechtsspezifische Faktoren, die zu physischer Inaktivität und einem sitzenden Lebensstil beitragen, genauer zu analysieren.

Quelle
Salmensalo, M., Ruotsalainen, H., Hylkilä, K., Kääriäinen, M., Konttila, J., Männistö, M., & Männikkö, N. (2022). Associations between digital gaming behavior and physical activity among Finnish vocational students. Journal of Public Health, 32, 53-63.

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Aktuelles aus der BAS

Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern

Neue Praxistransferprojekte der LSG

Die Mitarbeitenden der LSG freuen sich auf neue Themen, Projekte und Erkenntnisse für die neue Vertragslaufzeit 2024 – 2027. Mit unseren geplanten Projekten möchten wir den Transfer in der Schnittstelle zwischen Forschung und Praxis ermöglichen, um so Praktiker:innen im Rahmen ihrer qualitätsorientierten Klient:innenarbeit bestmöglich und evidenzbasiert unterstützen zu können.

Mit dem Praxistransferprojekt „Kurz und zeitgemäß informiert“ wollen wir Profis der Suchthilfe und anderen Interessierten prägnante Videos zu aktuellen Glücksspielthemen und -entwicklungen niedrigschwellig, methodisch aufbereitet und schnell verständlich zur Verfügung stellen. Parallel dazu planen wir mit dem Projekt „Glücksspiel bei Menschen mit kognitiver / körperlicher Beeinträchtigung“ diesen bisher wenig beachteten Forschungs- und Versorgungsbereich näher zu erfassen, um so Informationen oder Materialien zur besseren Versorgung von Menschen mit Beeinträchtigungen im Kontext Glücksspielsucht beitragen zu können.

Weitere Schwerpunkte auf unserer Agenda für die kommenden Jahre sind „Pathologisches Glücksspielen und Gewalt“, „Raucherentwöhnung bei Glücks­spielenden“ und „Zieloffene Suchttherapie beim pathologischen Glücksspielen“. Wir haben uns einiges vorgenommen und werden dies mit viel Freude in der kommenden Zeit umsetzen.

SAVE THE DATE: 14. Bayerischer Fachkongress Glücksspiel am 17. Juli 2024

Die Planungen zum 14. Bayerischen Fachkongress Glücksspiel am 17.07.2024 laufen auf Hochtouren. Die Themen des diesjährigen Fachkongresses sind wie jedes Jahr vielseitig und aktuell. Am Vormittag sind bereits interessante Vorträge geplant: Wir freuen uns u.a. auf Themen wie „Die Rolle von Politik und Lobbyismus beim Glücksspiel“, die „Stärken und Schwächen des Sperrsystems OASIS“ und das Thema „Glücksspiel am Aktienmarkt“. Neben den Hauptvorträgen hat man am Nachmittag die Wahl zwischen verschiedenen Workshopthemen wie „Prävention. Wie erreiche ich Kinder und Jugendliche?“, „Pathologisches Glücksspielen im Alter“ oder „Blended Counseling in der Suchtberatung“. Die Teilnahme am diesjährigen Fachkongress ist dank des Hybridformats erneut für alle möglich: Die Veranstaltung findet online und in München in den Räumlichkeiten der Katholischen Akademie in Bayern statt. Mehr Informationen finden Sie hier.

Aktueller Stand zur Umsetzung von „HaLT – Hart am LimiT“ in Bayern

HaLT in Bayern – die wachsende Bedeutung anderer Zugangswege neben der Klinik

HaLT wird in Bayern seit 2008 umgesetzt, inzwischen gibt es 34 Standorte über ganz Bayern verteilt, in allen sieben Regierungsbezirken. Gerade zu Anfang des Programms, aber auch bis vor ein paar Jahren, waren Kliniken wichtigster Zugangsweg für HaLT reaktiv: Jugendliche und junge Erwachsene bis 21 Jahre und in den meisten Fällen auch deren Eltern wurden, nachdem sie mit einer Alkoholintoxikation eingeliefert wurden, im Rahmen der sogenannten Sofort- bzw. Elternintervention noch am Krankenbett von erfahrenen HaLT-Fachkräften beraten. Inzwischen hat die Bedeutung der Klinik als Zugangsweg zum Programm abgenommen: Die Fallzahlen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit einer Alkoholintoxikation in eine Klinik eingeliefert werden, sind in den letzten Jahren stark rückläufig. Gleichzeitig bleiben riskante Trinkmuster bestehen und die Trinkgewohnheiten der Zielgruppe haben sich nicht im gleichen Maß verändert. Offenbar ist der Zugang zu den (Kinder-)Kliniken erschwert. Viele HaLT-Standorte haben darauf bereits reagiert und andere Zugangswege erschlossen, um die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die riskant trinken, weiterhin zu erreichen. Überall dort, wo diese bezüglich ihres Alkoholkonsums auffällig werden, können Kooperationen geschlossen werden, das reicht von Schulen, Jugendhilfeeinrichtungen und Jugendsozialarbeit über die Polizei und Rettungsdienste bis hin zur Jugendgerichtshilfe.

HaLT in Ihrer Region?

Obwohl HaLT inzwischen über ganz Bayern verteilt angeboten wird, sollen weiterhin zusätzliche Regionen mit Bedarf bezüglich der Ausweitung der Alkoholprävention für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene erschlossen werden. Wenn auch Sie Interesse an einer HaLT-Implementierung in Ihrer Region (Bayern) haben und vor Ort von den Fördermöglichkeiten profitieren möchten, können Sie sich für ein ausführliches Informationsgespräch zu den Details gerne direkt an uns wenden. Als zentrale Koordinationsstelle stehen wir Ihnen unterstützend und beratend im Vorfeld, bei der Antragsstellung sowie während des Projektverlaufs zur Verfügung.

Kontakt

Annalena Koytek (Tel.: 089.530730-15, E-Mail: annalena.koytek@bas-muenchen.de), zuständig für die Projektleitung und Koordination und Betreuung der bayerischen HaLT-Standorte bezüglich der Landesförderung

Bündnis der Bayerischen Suchthilfe „Drug-Checking“ in Bayern

An dieser Stelle möchten wir Sie gerne über ein Positionspapier zum Thema Drug-Checking informieren, welches im Rahmen eines Bündnisses bayerischer Suchthilfeträger und Verbände erstellt wurde. In diesem soll aufgezeigt werden, wie Drug-Checking als effektives Mittel zur Gesundheitsförderung genutzt werden kann, um Vergiftungen und Überdosierungen durch präventive Maßnahmen zu verhindern. Das Positionspapier können Sie hier einsehen und herunterladen.

E-Learning-Angebote der BAS

Gerne möchten wir die Gelegenheit nutzen und Ihnen an dieser Stelle noch einmal verschiedene kostenlose Angebote vorstellen, die seit Januar auf unserer Lernplattform zu finden sind.

Der Selbstlernkurs „Cannabis und Schule: wissen, verstehen, handeln“, welcher federführend von dem  Bayerischen Zentrum für Prävention und Gesundheitsförderung in Unterstützung der BAS entstanden ist, vermittelt Hintergrundinformationen rund um das Thema Cannabis und den Konsum unter Jugendlichen.

Der Kurs „Süchtig nach Social Media: Ein Einblick“ ist ein von der BAS schon lange verfolgtes Thema, welchem wir nun eine Bühne auf unserer Lernplattform geben wollen. Für diesen Kurs erhalten Sie zudem 2 Fortbildungspunkte der PTK!


Um die Kurse vollständig bearbeiten zu können (z. B. zur Speicherung Ihres Lernfortschritts), benötigen Sie einen Account.  Sie haben noch keinen? Hier können Sie sich in nur wenigen Schritten kostenfrei registrieren:   Neues Nutzerkonto 

Cannabis und Schule: wissen, verstehen, handeln

Sie sind Lehrkraft oder pädagogische Fachkraft im Setting Schule und fragen sich, wie Sie mit Cannabis in Ihrem beruflichen Alltag umgehen und präventiv handeln können? Dann könnte Sie der Kurs „Cannabis und Schule: wissen verstehen, handeln“ unterstützen.

Süchtig nach Social Media: Ein Einblick

In einer zunehmend digitalisierten Welt ist die Medienlandschaft ein integraler Bestandteil unseres Alltags. Doch während die Vorzüge der modernen Technologie unbestritten sind, haben auch die Herausforderungen, die mit übermäßiger Mediennutzung einhergehen, erheblich zugenommen. Unser Kurs „Mediensucht – Erkennen, Verstehen und Prävention“ bietet eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem brisanten Thema.

Vortragsreihe

Mit unserer fünfteiligen Vortragsreihe bieten wir Ihnen über das Jahr verteilt ein facettenreiches Angebot. Den Programmflyer für die Veranstaltungsreihe in diesem Jahr finden Sie hier.

Seit kurzem haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, die verschiedenen Vorträge unserer Vortragsreihe auch über eine Aufzeichnung flexibel und zeitungebunden zu erleben. Die Aufzeichnungen werden jeweils nach dem Live-Termin und nach Zustimmung der Referierenden auf unsere Lernplattform gestellt. Folgendes Angebot ist aktuell für Sie verfügbar:

  • Suchtprobleme bei geflüchteten Menschen – Welche Konzepte braucht die Praxis?
    Prof. Dr. Ingo Schäfer, MPH
    Zentrum für Interdisziplinäre Suchtforschung (ZIS), Universität Hamburg, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
  • Psychedelika-gestützte Psychotherapie zur Behandlung von Suchterkrankungen
    Prof. Dr. Daniele Zullino
    Suchtabteilung der Psychiatrie des Universitäts-krankenhauses Genf
    (Hôpitaux Universitaires de Genève)

BAS-Schulungen und Veranstaltungen

25.04.2024
Münchner Volkshochschule – online Öffentlichkeitsvortrag: Glücksspielsucht
(Online-Veranstaltung, kostenfrei)


07.05.2024
Online Fachtagung: Prinzipien und Methoden für das Arbeiten mit suchtbelasteten Familien
(Online-Veranstaltung, Teilnahmegebühr: 50 €)


12.06.2024
BAS Online-Vortragsreihe 2024
Titel: „Ein Leben mit dem Fetalen Alkoholsyndrom – Lesung mit wissenschaftlicher Einführung“
Referentinnen: Prof. Dr. Mirjam Landgraf, Monika Reidegeld
(Online-Veranstaltung, kostenfrei)


13.06.2024
 Online Fachtagung: Inklusion gestalten – Angebote für Menschen mit geistiger Behinderung und Sucht
(Online-Veranstaltung, Teilnahmegebühr: 75 €)


14.06.2024
Suchthilfefachtag 2024 (BAS-Kooperationsveranstaltung mit der SeKo Bayern)
(Weiden, Teilnahmegebühr: 30 €)


26.06.2024
„Sucht und Politik“ (BAS-Kooperationsveranstaltung mit dem Arbeitskreis Suchthilfe der Universität Würzburg)
(Würzburg, kostenfrei)


17.07.2024
Save the date: 14. Bayerischer Fachkongress Glücksspiel in München
(München, Hybrid, Teilnahmegebühr: 80 €)


23.10.2024
BAS Online-Vortragsreihe 2024
Titel: „PornLoS – ein Therapieprogramm zur Behandlung der Pornografie-Nutzungsstörung“
Referent: Prof. Dr. Rudolf Stark
(Online-Veranstaltung, kostenfrei)


20.11.2024
BAS Online-Vortragsreihe 2024
Titel: „Besondere Arzneimittel – Umgang mit Betäubungsmitteln sowie medizinischem Cannabis in der Apotheke“
Referentinnen: Christiane Fahrmbacher-Lutz und Tobias Bayer
(Online-Veranstaltung, kostenfrei)


Bitte nehmen Sie Ihre Anmeldung zu unseren Veranstaltungsangeboten online vor. Nach erfolgreicher Anmeldung erhalten Sie eine Registrierungsbestätigung per E-Mail. Sollten Sie keine E-Mail bekommen, besteht die Möglichkeit, dass Ihre Anmeldung nicht registriert wurde. Wenden Sie sich in diesem Fall bitte zeitnah an uns.

Weiterführende Informationen zu unserem Programm und den Allgemeinen Veranstaltungsbedingungen finden Sie unter der Rubrik Veranstaltungen auf der Website der BAS: www.bas-uenchen.de.